Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen. Aber anders sind sie auch nicht. (Chinesische Weisheit)
Wir von KONZENTRUM finden, dass es zum tieferen Verständnis des komplexen Phänomens ADHS überaus wichtig ist, die kindliche Sichtweise nicht nur zu hinterfragen und sich auch »anzuhören«, sondern im persönlichen Umgang mit dem betroffenen Kind oder dem Jugendlichen zuweilen auch ganz entspannt zuzulassen.
Wir haben daher für Sie zahlreiche Kinder und Jugendliche gebeten, in jeweils einem Satz zu beschreiben, wie Sie sich selbst und ihr Leben mit ADHS wahrnehmen. Zulässig waren natürlich auch Antworten, die Wahrnehmungen aus ihrer Familie oder dem näheren Umfeld betrafen. Herausgekommen sind bei dieser Befragung tolle Antworten, die zwar für Kinder und Jugendliche sehr typisch sind, aber dennoch zuweilen fast philosophisch anmuten.
Hier ein Auszug daraus:
Marcus (8) ist mit sich offenbar nicht ganz zufrieden: »Was ich am Wenigsten an mir leiden mag, ist, dass ich irgendwie anders bin!«
Rony (11) sieht sein Leben mit ADHS entspannt: »Also ich find´s irgendwie lustig, wenn ich dauernd herumzappeln kann, und alle eh schon damit rechnen!«
Thomas (9) mag offenbar die tägliche Medikamenten- Dosis nicht so gern: »Wieso darf ich nicht ohne die blöden Morgen-Pillen in die Schule gehen?«
Beate (13) macht sich Sorgen über Ihre Wirkung auf andere: »Spüren es eigentlich alle Anderen jedes Mal sofort, dass ich mich ganz anders fühle?«
Hannah (12) hat ein Potential an sich erkannt: »Also, ich freue mich immer auf die Deutsch- Schularbeit, weil ich mich da mit Worten voll austoben kann.«
Jonathan (13) macht sich ganz ähnlich Gedanken: »Fällt den Anderen meine Anstrengung eigentlich auf, die ich manchmal leisten muss, um zu funktionieren?«
Doris (10) trauert ihrem früheren Schriftbild nach: »Seit ich das Medikament nehmen muss, schreibe ich irgendwie anders, aber das gefällt mir eigentlich gar nicht so gut!«
Martin (9) bekommt gar nicht genug von Sport, Spiel & Co.: »In meiner Klasse ist keiner so quirlig wie ich, sagt meine Lehrerin.«
Daniel (14) denkt darüber nach, inwieweit seine ständigen Bemühungen um Anpassung schuld am derzeit gespannten Verhältnis mit seinen beiden besten Freunden ist: »Würden meine Freunde vielleicht lockerer mit mir umgehen, wenn ich mich nicht andauernd verstellen muss?«
Sarah (16) schließlich hat wahrscheinlich genug davon, sich bei den meisten Vorstellungsgesprächen ebenfalls zu verstellen: »Vielleicht wäre es am Besten, wenn ich immer gleich von Anfang an sage, dass ich ADHS habe?«
Bei dieser Auflistung fällt sicher auf, dass manch ein Kind oder Jugendlicher offenbar die Frage zu beschäftigen scheint, wie sie durch ihr ADHS auf ihre Umgebung wirken. Gleichzeitig scheinen sich viele Kinder nichts geringeres zu wünschen, als bloß nicht mehr »anders« sein zu müssen.
Sind diese wunderbar klaren kindlichen Sichtweisen und Blickwinkel schon erstaunlich genug, so werden Sie im nächsten Abschnit "Zappelphilipps Top-Tipps" vielleicht aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen, wenn KONZENTRUM einen Zappelphilipp oder eine Chaosprinzessin befragt.
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein. (Simone de Beauvoir)
Zappelphilipps Top-Tipps
Da KONZENTRUM ständig bemüht ist, die kindliche Sichtweise ebenfalls mit einzubringen und somit auch für betroffene Bezugspersonen immer neue, vor allem aber entspannte Blickwinkel zu eröffnen, haben wir unsere pädagogischen Berater vom Verein KiddyCoach (www.kiddycoach.or.at) auf den Weg geschickt, um Kinder und Jugendliche mit ADHS um ihre ganz persönlichen »erzieherischen Tipps« für Erwachsene zu bitten.
Unsere Spezialisten haben dabei versucht, die befragten Kinder und Jugendlichen dahingehend zu motivieren, einmal wie ihre Eltern und Bezugspersonen zu denken, um aus dieser Vermischung zweier Blickwinkel genau die Tipps zu geben, die beim Umgang mit einem ADHS- Kind oder Jugendlichen am Besten helfen könnten...
Top-Tipps zum Selbstwert
Manuel (12) möchte gerne die Sichtweise seiner Eltern ändern:
Wenn ihr uns schon als »etwas anders« empfindet, bedenkt, dass uns eine unachtsame Einschätzung ziemlich verletzen kann. Wenn ihr uns nämlich als »unwillig« oder vielleicht als »faul« bezeichnet belastet das unser ohnehin schon hypersensibles Gemüt und damit auch unser Selbstwertgefühl sehr!
Ein echter Flop für mich, weil mich diese Belastung dann noch unruhiger und zappeliger werden lässt.
Sabine (ebenfalls 12) hört es nicht so gern, wenn man über sie redet und hat dazu folgenden Wunsch an ihre Eltern:
Besonders wenn ihr mit mir über mein ADS redet oder auch wenn ich bloß dabei bin, solltet ihr es bitte keinesfalls als »Krankheit« bezeichnen. Mir persönlich tut das jedes Mal heftig weh, wenn mich einer als »krankes Kind« bezeichnet. Außerdem schießt ihr damit ganz schön vorbei am Ziel: Ich bin nicht »krank« – basta!
David (13) hat schon lange erkannt, dass sein Selbstwertgefühl stark davon abhängt inwieweit er Lob überhaupt glauben kann und ist dabei auf eine wunderbar einfache Lösung gekommen:
Weil mein Selbstwertgefühl sich offenbar nicht so leicht mit einem allgemeinen Lob abfindet: (»du bist so brav..!«; »wir sind stolz auf dich...!«), macht das bitte mit dem Loben doch ein bisschen genauer: Ich meine damit, dass ich eure Zufriedenheit, die mir so wichtig ist, viel eher glauben kann, wenn ihr mir möglichst genau sagt, welches Verhalten euch gefallen hat. Es können natürlich auch gleich mehrere Kleinigkeiten sein, umso besser. zB: »Bei deiner Erzählung war der Schluss besonders lustig!«; »Am Schönsten ist immer dein Schreibtisch aufgeräumt«; »Du hast dich beim vorigen Spiel besonders fair verhalten!«. Aber seid bitte dabei vor allem ganz ehrlich!
Manchmal ist es sogar gut zu sagen, was euch nicht so gefallen hat, aber bitte vorsichtig! So nehme ich die Leistung, für die ich gelobt worden bin, noch stärker wahr. Außerdem kommt mir euer Lob dann eben aufrichtiger vor.
Jede kleine Ehrlichkeit ist besser als eine große Lüge. (Leonardo da Vinci)
Zappelphilipps Kommentar
Aufrichtigkeit ist nämlich für unser Selbstwertgefühl ebenso wichtig wie die Anerkennung selbst. Wenn ihr mit uns ehrlich seid, stärkt ihr damit unser Gefühl, voll akzeptiert und gemocht zu werden. Ungenaues, zu allgemein klingendes und vor allem nicht zutiefst ehrlich gemeintes Lob ist für unsere Wahrnehmung wohl eher ein Top-Flop als ein Top-Tipp! Macht ihr das zu häufig, fühlen wir uns bald noch weniger ernst genommen.
Behandle die Menschen so, als wären sie, wie sie sein sollten, und du hilfst ihnen zu werden, wie sie sein können
(Johann Wolfgang von Goethe)
Julia (14) hat, gleich nach bekannt werden Ihrer Diagnose folgenden Tipp für Ihre Eltern:
Wenn ihr euch schon mal sicher seid, dass euer Kind ADHS hat, dann schaut bitte einfach mal unauffällig, dafür aber umso genauer hin, welche Fähigkeiten in ihm stecken, die vielleicht bloß mit einem kleinen Anstoß geweckt werden müssen. Glaubt mir: Es gibt sie!
Weil wir ständig mit unserem mangelnden Selbstwertgefühl zu kämpfen haben, tut es uns unglaublich gut, wenn ihr uns öfters mal eine begeisterte Rückmeldung auf unsere positiven Seiten gebt.
Top-Tipps zur Impulskontrolle
Bei vielen betroffenen Kindern kann festegestellt werden, dass sie eher rasch wütend werden, sich also oft nicht so gut unter Kontrolle haben. Doch es funktioniert vielleicht nicht ganz so gut, wenn man ihnen das auch immer wieder vorhält. Fragt man Kinder, so hätten sie es gern ein wenig anders.
Florian (12) wird recht oft zornig, aber es stört ihn ganz besonders, wenn seine Mutter währenddessen auf ihn einredet oder gar mit ihm schimpft. Deswegen wünscht er sich von ihr folgendes:
Wenn ich wütend werde, ist es für dich am Besten, möglichst entspannt zu bleiben und nicht selbst auch noch deine Nerven wegzuwerfen. Wenn ich merke, dass ich dir mit meinem Zorn auch noch weh tue, macht mich das augenblicklich nur noch wütender! Aber auf mich selbst!
Wenn du aber entspannt bleibst, lerne ich dadurch so ganz nebenbei, dass Herumschreien und Toben nichts bringt, weil du nicht darauf reagierst.
Und dann habe ich noch einen wichtigen Wunsch: Schimpfe doch bitte nicht mit mir, wenn ich gerade wütend bin, sondern lobe mich lieber, wenn ich es geschafft habe, ganz von selbst damit aufzuhören! Das wirkt! Vertrau mir, Mami!
Tu, was du kannst, mit dem was du hast, wo immer du bist. (Theodore Roosevelt)