Wie geht man mit ADHS/ADS in der Schule um?

Gerade im schulischen Kontext, respektive für Pädagogen in der operativen Arbeit, ist es ungeheuer wichtig, Kinder und deren Verhaltensbesonderheiten richtig und vor allem folgerichtig einschätzen zu können. In der Lehrer-Beratung bzw. der Lehrer-Supervision lässt sich vermehrt Verunsicherung wahrnehmen, wie man denn Kinder mit eventuellem ADHS richtig einschätzen könne bzw. wie man als Lehrer die Kompetenz erringen könnte selbst einzugrenzen, ob man von ADHS, oder vielleicht »Oppositionellem Trotz-Verhalten«, oder einfach fehlender Beziehungsarbeit in der Kernfamilie, also einer häuslichen Problemsituation, ausgehen muss.

Doch ganz abgesehen von den möglichen Begründungen für Verhaltensoriginalitäten kann als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche schulische Beziehungsarbeit in jedem Fall die Fähigkeit zur möglichst hohen Wertschätzung der jeweiligen Person gelten.

Sobald wir im täglichen schulischen Kontext die Fähigkeit entwickelt haben, schwierige Kinder besonders dann wertzuschätzen, wenn sie sich auffällig verhalten, werden diese unser positives Verhalten auch spiegeln, bzw. dieses irgendwann an uns zurückgeben. Dies kann ganz besonders intensiv für ADHS-betroffene Kinder gelten, da diese durch ihre hohe Sensitivität und ebenso ausgeprägte Empathie die authentische Fähigkeit zur Wertschätzung vor allem bei der Bezugsperson Nummer Eins in der jeweiligen schulischen Einrichtung garantiert wahrnehmen und diese Person als solche bald selbst wertzuschätzen beginnen.

Habe mich dann am liebsten, wenn ich es am wenigsten verdiene!
Alfred Adler

Dass natürlich genau diese Anforderung, die Alfred Adler uns vorgibt, nicht gerade einfach durchzuführen ist, wird wohl jedem klar sein, der schon einmal im Gruppenkontext operative Kinder und Jugendarbeit geleistet hat. Dennoch formuliert es unser Verhaltens-Pädagoge, Gerhard Spitzer in etwa so: »Sobald man gelernt hat, auch offensichtliches Fehlverhalten als Lektion bzw. Spiegel für unsere eigene Interaktion zu verstehen und dementsprechend wertzuschätzen, kann es gelingen, auch das »schlimmste« Fehlverhalten letztendlich in einer entspannten Interaktion auszutransformieren.«

Auch wenn dies allgemein betrachtet schwierig zu erfüllen ist, kann diese »ambivalente Wertschätzung«, wie G. Spitzer es nennt, gerade bei ADHS-betroffenen Kindern und Jugendlichen wahrscheinlich leichter zu erfüllen sein, da diese meist eine Fülle von ungeahnten bzw. unerkannten Potenzialen aufweisen. Hat man eines oder mehrerer dieser Potenziale einmal erkannt, können sich ADHS-Betroffene ganz besonders intensiv darauf einlassen, und in diesem Kontext ihr bis dato augenfälliges Fehlverhalten oft völlig ablegen.

Versuchen Sie, liebe Lehrerin, lieber Lehrer, so manche schlummernde Fähigkeit gerade in jenen Kindern zu erkennen und zu fördern, die im Verdacht stehen von ADHS betroffen zu sein.

Potentiale erkennen

ADHS-Betroffene verfügen zumeist über

  • ungeahnte, manchmal sogar schier unerschöpfliche Energien,
  • besondere Begabungen (zum Beispiel oft eine hohe Musikalität) die selbstverständlich auf die »Reiz-Offenheit« oder »Sinnes-Offenheit« zurückzuführen ist
  • eine hohe Sensibilität (Empfindsamkeit) – zumeist auch Fremdsensibilität (Empathie)
  • eine hohe sprachliche Begabung / Eloquenz
  • beachtliches Führungspotential (perfekt für das Erteilen von so genannten »formellen Rollen«, Stichworte: »Team-Kompetenz«; »Gruppen-Dynamik«)
  • hohe künstlerische Affinität (Kreativität)
  • besonders rasche Auffassungsgabe
  • die Fähigkeit sich rasch auf neue Situationen einzustellen (Sofortumschalter)
  • eine bemerkenswerte Fähigkeit, vor Anderen zu sprechen, sofern man ihr Selbstwertgefühl behutsam steigert (viele ADHS-betroffene junge Erwachsene tendieren bei ihrer Berufswahl eher zu »performenden« Berufsbildern, wie Moderator, Schauspieler, Komödianten, Tänzer, Trainer und Ausbilder, Berater, und ähnliche…)
  • die Fähigkeit, mit Chaos umzugehen, was bemerkenswerte Vorteile und förderbare Talente mit sich bringt.

Welch ungeahnte Fähigkeiten in solchen Menschen schlummern sollen zwei Auszüge aus einer Auflistung von prominenten und berühmten Namen aus der Geschichte zeigen.

Einschätzung

An dieser Stelle wollen wir Pädagogen in der operativen schulischen Arbeit mit einem Querverweis ein wenig Eigenkompetenz zur Einschätzung von Kindern und Jugendlichen vermitteln, bei denen ein erster Verdacht auf ADHS bereits besteht. Verwenden Sie hierzu zunächst den »4-Fach-Check«.

Zusätzlich können Sie, sofern Sie Zeit finden, aber auch diverse Fragebögen anfordern und diese entweder gemeinsam mit dem Kind oder mit den Eltern ausfüllen. Ergeben sich danach mehrere Anhaltspunkte für das Vorliegen von ADHS, führt der Weg zunächst zum Schul-Psychologen oder Psychagogen, bzw. den nächsten auf ADHS spezialisierten Kinder-Facharzt oder Kinder- und Jugend-Psychiater.